Consumo ergo sum

Eine Kurzgeschichte über deine Selbstwertprojektion auf Dinge

Ich steh mal wieder im Stau – „Was für eine Überraschung“ wirst du denken, ist ja ganz normal in Salzburg. Individualverkehr ist ja bei unserer spärlichen Öffi-Abdeckung und den hohen Preisen natürlich der beste Weg. Naja fast. Es geht normalerweise viel schneller mit dem Fahrrad, doch wenn ich etwas sperriges transportieren muss, bleibt mir nur mein vierrädriger Schlitten. Ich sitze allein drin, als Beifahrer nur vierzehn 2-Meter Kanthölzer und da diese langweilige Gesprächspartner sind, sehe ich mir meine Nachbarn in ihren Karossen an. Sie sind auch alle alleine, haben viel Platz in ihren SUVs und mittlerweile sogar in den Hatchback-Whatever-Sportwägen. Die haben sicher über 20.000 Euronen dafür hingeblättert.
Es rattert in meinem Kopf, das sind – im Best Case – wenn du, sagen wir 1.900€ netto (~2.800€ brutto) verdienst (das sind sogar ca. 900€ mehr als das Durchschnittseinkommen Salzburg laut Statistik Austria 2015) , ca. 10 Monatsgehälter und realistisch sogar noch mehr, da du ja sicher Fixausgaben von etwa 1.000€ abgeben musst. Also um die 22 Monate, wo du dein Erspartes reingesteckt hast. Naja, geht ja auch mit Leasingraten um die 200 – 500€ / Monat, doch dann gibst du monatlich ja auch um die 1.200 – 1.500€ aus. Okey du hast dann noch um die 400 – 700€ im Monat über, not bad ! Aber die sind sicher schon für den Kredit draufgegangen oder für anderen Kleinscheiß den du dir leisten „musst“.

Doch hast du dir schonmal überlegt, warum du gerade den neuen Mercedes E-Klasse, BMW i3, VW Polo ABCDEFG brauchst? Einfach weil der geil ist, ein geiles Motorengeräusch hat, schnittig aussieht und die anderen Verkehrsteilnehmer in 2 Sekunden versaugt ? Ach, schon vergessen wir stehen ja im Stau und Fast & Furious Salzburg wird es leider nicht in die Kinos schaffen.

 

Ich greife hier klassische evolutionsbiologische Triebe heraus, die, wie sie Vera Birkenbihl bezeichnet, das „Reptilienhirn„, also Stammhirn triggern. Das Stammhirn kann man sich als Kern des Hirns vorstellen, bei dem alle Triebe und Reflexe verarbeitet werden, unter Anderem das Kampf-/Fluchtverhalten. Apropos: Vera Birkenbihl ist eine der führenden Soziologinnen und Wissenschaftlerinnen des 21. Jahrhunderts und es macht echt Spaß ihren Vorträgen auf Youtube zu lauschen oder ihre Bücher zu lesen. Sie bringt das Trockene mit viel Humor rüber und man kann die Theorien fast schon angreifen, so verbildlicht sind sie. Nun denn, Werbezeit over, wieder zurück zu uns Tieren.

1. Dominiere und zeige Stärke

ROAAARRR macht der Motor und sowie du das liest assoziierst du natürlich den König des Tierreichs, unseren Zottelkater den Löwen. Auch er demonstriert mit dem Gebrüll seine Dominanz, Stärke und somit Macht. „Leg dich nicht mit mir an, denn….“ , ja was eigentlich ? Überfährst du mich im 21. Jahrundert mit deinem BMW oder willst du nur, dass die anderen reflexartig zusammenzucken? Verständlich, der Chef zu sein fühlt sich super an, Dominanz auf erster Linie. Doch was bist du ohne dein Auto ? Wenn du dennoch gerne rumschreist und der Lauteste bist, probiers mal mit Gemütlichkeit. Da du gerne eine Führungsperson wärst, unterscheidet sich das in dem wesentlichen Faktor, dass Führungspersönlichkeiten zuhören und nicht schreien, um Ansehen zu erlangen. Jeder von uns möchte verstanden werden.

2. Kannst du dich selbst im Spiegel ansehen?

Es geht um dein Aussehen.

Leider leben wir in einer Gesellschaft, die Aussehen mit weitaus positiveren Persönlichkeitswerten verbindet, als es meist der Realität entspricht. Schöne Menschen werden als erfolgreicher, charmanter, höflicher, intelligenter und besser in der Kiste wahrgenommen. Wünscht du dir denn das auch, auch wenn du nicht die Sahneschnitte auf der Torte des Lebens bist ? Hast du deswegen einen schneidigen Schlitten ? Ja, vielleicht gehst du diesem Wunsch nach etwas schöner zu sein. Leider bist das aber nicht du sondern deine Kiste, welche die Leute schön finden. Oder du bist schon schön und du willst den Status Quo aufrecht erhalten. Nun, weitaus weiter wirst du im Leben mit einer Schönheit unter der Haube kommen, und das ist nicht der 12 Zylinder Hochglanzmotor, sondern dein Charakter. Egal wie du aussehen magst, dein Charakter entscheidet schlussendlich mit wem du dich längerfristig verstehst und einlassen

3. Speed, speed, speed oida!

Schnelligkeit (oder besser: es wüüürde ja schneller gehen, wenn…)

…der Stau nicht wäre und die Tempolimits. Also rein pragmatisch gesehen, bringen dir mehr PS nichts, ausser du hast ein Auto, mit dem du schwere Dinge transportierst, oder am Berg wohnst. Deshalb sind PS auch nichts weiter als ein psychologischer Trick, dass du schneller und damit erfolgreicher sein KÖNNTEST. Ein Gewinnertyp, der die anderen hinten anstehen lässt. Leider ist das ein weiterer Traum, denn wie siehts im echten Leben ohne dein Auto aus ? Bist du ein Gewinnertyp? Und damit spreche ich nicht von Geld, weil du ja wie es aussieht nicht damit umgehen kannst. Sorry für die Mutmaßung, aber das lernt uns ja auch keiner. Im besten Falle die Eltern, wenn die den Umgang schon meistern, aber auch da habens viele nicht gelernt. Die Schule und Uni ? Fehlanzeige, das Mitochondrium ist das Kraftwerk der Zelle. Also wie kannst du auch anders, als dich der Emotion hinzugeben ? Es ist nicht deine Schuld. Die Wirtschaft lebt von dem Scheiß dir alles Einzureden. Dasselbe gilt für Schmuck und Kleidung, Elektronik, Häuser, Boote, Beautyprodukte, Superfood, whatever…

Wobei ich dich hiermit anstupsen will ist Folgendes:

 

Dominanz ist nicht gerade eines der besten Wege, um im Leben klarzukommen. Versuche, den Menschen zu helfen, jeder hat etwas besonders gut drauf, womit man anderen helfen kann. Denn dann tritt die coole Reziprozität ein – Du hilfst und demjenigen, dem Geholfen wird, fühlt etwas wie eine Bringschuld und wird dir auch gern einen Gefallen tun. Freiwillig. Irgendwann machst du das, weil das Gefühl schön ist jemanden zu helfen und es sich gut anfühlt ein Lächeln im Gesicht des anderen zu sehen und du erwartest keine Gegenleistung. Man ist gern ein Lehrer.

 

Schönheit ist vergänglich, auch wenn man sich unters Messer legt. Vollsilikonmenschen sehen einfach ästhetisch nicht mehr gut aus, ein bisschen wie zusammengeknüllte Blasenfolie. Aber die Ästhetik ist auch der Grund warum unser Hirn so ein Faible (Neigung) für Fotografie hat. Ist etwas proportional, verstehen wir es als passend und schön. Unproportionalität als Unschön. Du hast sicher schon einmal mit Menschen mit, was wir unpassend als „Makel“ bezeichnen, geredet. Hatte er/sie eine unförmige Nase, Vitiligo (Die Milka-Kuh, bzw. Schwarzweißflecken-„Krankheit“), Übergewicht, oder eine fehlende Hand ? Ist doch egal, wenn man öfter ins Gespräch kommt verschwinden diese Kleinigkeiten und werden in unseren Augen zur Norm. Wo wir wieder beim Charakter sind – Es ist schlussendlich dieser Eindruck der bleibt.

 

Danke für den Ausflug – Na, denkst du schon anders ? Kommt jetzt ein aber, aber ,aber.. ? Ich geben dir den Tipp, halte die Emotion fern von Dingen. Pragmatisch gesehen ist ein Auto nichts anderes als ein Transport- und Fortbewegungsmittel, keine Persönlichkeit. Verwende die freigewordene Emotion lieber für dein Umfeld, deine Freunde und Familie, deine Kinder. Die sind es Wert, investiere lieber dein Geld in die Menschen.

 

Schnelligkeit hat uns nur die jetzige Zeit verbockt, wir sind in allem so schnell geworden, dass wir uns sogar selbst überholt haben. Wenn du wirklich besser als andere sein willst, lerne von ihnen und wenn du sie überholt hast, jaaa du ahnst es: Auf gehts in die Reziprozität – Hilf wiederum ihnen. Wenn du langfristig Menschen hinter dir lässt und nicht auf sie achtest nur deines Vorteils willen, wird sich dein kurzfristiger Vorteil gegen dich wenden und du bist sogar noch schlechter dran als vorher. Wir verknüpfen Personen mit Emotionen und um die Negativen wieder loszubekomen dauerts oft lange. (Der Typ meldet sich eh nie; Die Scheißt eh auf alle; etc…)

Ein Hupkonzert unterbricht meine Gedanken und durchs Fenster sehe ich, wie mich Autos überholen und die Mittelfinger nach mir strecken. „Grün is, du Wappler!“, schreit mir ein braungebrannter Typ mit Ray-Ban Brille durchs offene Fenster, während er in seinem Porsche Cayenne vorbeirast. ROOARRR. „Tschuldigung!“, schreie ich hinterher und steige mit einem Grinsen im Gesicht aufs Gas.